„Der Geist des HERRN, des Herrschers, ist auf mir ..., um den Trauernden von Zion zu verleihen, dass ihnen Kopfschmuck statt Asche gegeben werde, Freudenöl statt Trauer und Feierkleider statt eines betrübten Geistes, dass sie genannt werden ‚Bäume der Gerechtigkeit‘, eine ‚Pflanzung des HERRN‘ zu seinem Ruhm.“ (Jesaja 61,1a und 3)
Als Team hier in Jerusalem haben wir das unglaubliche Privileg, kostbare Holocaust-Überlebende treffen zu dürfen. Sie sind die letzten Zeugen der furchtbaren Gräueltaten des Nazi-Regimes und wir können ihnen begegnen und ihnen Trost und die Liebe Gottes bringen. Wir versuchen auch, ihre Stimmen in der Welt zu sein, indem wir ihre Geschichten, aus Herzen, die immer noch voller unaussprechlicher Schmerzen sind, weitererzählen. Wir sind für die Gelegenheiten dankbar, wenn wir bei ihnen sitzen und mit ihnen ihre Lasten und auch ihre Freude teilen können. Jedes Leben ist kostbar und ein Wunder göttlicher Befreiung.
Raya, eine 88 Jahre alte Holocaust-Überlebende und eine gute Freundin ist eine sehr warmherzige und liebevolle Frau. Sie hat zwei Kinder, vier Enkel und sieben Urenkel und ist sehr stolz auf sie. Ihre Augen funkeln, wenn sie uns von ihnen erzählt und uns Bilder zeigt. Trotz ihres sich verschlechternden Gesundheitszustandes ist sie immer noch voller Leben und Freude. Sie will leben und sehen, wie die Kinder aufwachsen. Aber sie teilte uns auch mit, dass kein einziger Tag vergeht, an dem sie nicht an die furchtbaren Tage des Holocausts und die Konsequenzen denkt.
Raya wurde in der Ukraine geboren und hatte eine wundervolle Familie – Eltern und zwei Brüder. Als der Krieg begann wurde ihr Vater an die Front berufen und der Rest ihrer Familie in ein Ghetto eingezäunt, ohne Essen oder andere lebensnotwendige Güter. Manchmal schaffte es Rayas Mutter, durch Löcher im Zaun zu entkommen und etwas Essen von Bauern in der Gegend zu holen. Partisanen bemühten sich auch, den jüdischen Menschen zu helfen, zu überleben. Raya erinnert sich noch immer an die Angst, die sie vor den Wächtern und Polizisten hatte, die extrem grausam waren. Als Kinder durften sie nicht draußen spielen und mussten sich meistens drinnen verstecken. An einem sonnigen Frühlingstag schlich sich Raya nach draußen, um etwas Sonne und frische Luft zu bekommen. Leider wurde sie von einem Wächter erwischt und fast zu Tode geprügelt. Wir sahen die Wunden an ihren Händen und Füßen und konnten fühlen, dass ihr Herz immer noch blutete.
Im Mai 1942 wurde das ganze Ghetto zusammengetrieben und 1600 Juden wurden in den Wald geführt, wo bereits die Massengräber auf sie warteten. Es war ein kalter und regnerischer Tag. Einige Juden leisteten Widerstand und es brach ein Kampf aus. Rayas Mutter benutzte das Durcheinander, um Raya in das Gebüsch zu drängen und sie aufzufordern, wegzulaufen. Ungefähr 200 Menschen konnten weglaufen, wurden aber mit Hunden verfolgt und zum größten Teil gefangen und getötet. Nur drei Menschen, einschließlich Raya, schafften es, zu überleben. Sie versteckte sich in einem Sumpf und blieb den ganzen Tag und die ganze Nacht in dem eiskalten Wasser. Die Hunde bellten, konnten sie aber nicht finden. Nachdem sich alles beruhigt hatte, lief Raya zu einer ukrainischen Freundin der Familie, aber die Frau verriet sie und rief die Polizei. Raya konnte jedoch ein weiteres Mal entkommen. Mit nur 11 Jahren versteckte sich Raya drei Monate lang im Wald, wo sie oft von hungrigen Wölfen umzingelt war. Sie überlebte, indem sie auf Bäume stieg und die Nächte oft dort verbrachte.
Obwohl sie vor Menschen große Angst hatte, ging sie oft in die Dörfer und bettelte um etwas zu Essen. Das war sehr gefährlich für sie, denn sie sah sehr jüdisch aus. Einmal setzte sie sich voller Erschöpfung vor das Haus eines Bauern, und ein Mann sah sie. Er nahm sie auf, adoptierte sie als seine Tochter und riskierte damit seine eigene Familie. Sie versteckten Raya bei sich bis zur Befreiung und Raya blieb bei ihnen, bis ihr Vater in 1946 aus dem Krieg zurückkam und sie fand. Dieses demütige Ehepaar – Perto und Maria – wurden bis zu ihrem Tod zu Rayas Eltern und ihre Namen stehen im Holocaust Museum Yad Vashem in Jerusalem. Eine Sache betrübt Raya bis heute zutiefst – sie kann sich nicht an das Gesicht ihrer Mutter erinnern, wegen dem Schock, den sie am Tag des Massenmordes erlitt. Sie hatte nie wieder die Gelegenheit, in die liebevollen Augen ihrer Mutter zu schauen.
Als ich diesen Artikel schrieb erreichten uns wieder traurige Nachrichten - zwei weitere kostbare Überlebende und Freunde von uns waren gestorben. Dies erinnert uns täglich, dass die Zeit der Zeugen nur noch sehr kurz ist. Das betrübt unser Herz, aber wir wissen, dass diese Last auch auf Seinem Herzen ist. Wir möchten Sie ermutigen, um Trost für die verbleibenden Überlebenden zu bitten. Wir wollen alle treue Diener in den Bereichen sein, in die Er uns berufen hat.
Danke für all Ihre Gebete, Ihre Liebe und finanzielle Unterstützung für Sein geliebtes Volk.
Olga Kopilova
Projekt Vergesst sie nicht